Steuerliche Zinsen - den Überblick behalten

Steuernachzahlungen bei der Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer sind zu verzinsen; die Verzinsung beginnt regelmäßig nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Veranlagungszeitraums (§ 233a AO). Auf den Grund für die Steuernachzahlungen kommt es dabei nicht an. Betroffen sind – aufgrund der 15-monatigen Karenzzeit – insbesondere Nachzahlungen nach Außenprüfungen. Der Zinssatz beträgt 0,5% monatlich, also 6% jährlich (§ 238 Abs.1 AO).

Da der gesetzlich festgelegte Zinssatz inzwischen erheblich vom Marktzinssatz abweicht, hat der Bundesfinanzhof (BFH) in mehreren Entscheidungen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe dieser Zinsen geäußert.

Bereits am 25.04.2018 hatte der IX. Senat des BFH erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe des Zinssatzes für Zeiträume ab April 2015 geäußert.

Mit Beschluss des VIII. Senats vom 03.09.2018 hat der BFH das zweite Mal in diesem Jahr zur Höhe des steuerverfahrensrechtlichen Zinssatzes Stellung bezogen und hält die Höhe des Zinssatzes bereits ab November 2012 für verfassungsrechtlich zweifelhaft.

Nach Auffassung des BFH ist die Bemessung des Zinssatzes realitätsfern und verletze den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz von 0,5% pro Monat überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich ab 2012 ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt hat. Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Mit der heute vorhandenen, auf moderne Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung können Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der schon seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 BGB nicht mehr entgegenstehen. Für die Höhe des Zinssatzes fehle es an einer Begründung. Es bestehen überdies schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot noch entspricht. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung (BFH-Beschluss von 25.04.2018, Az. IX B 21/18).

Die Finanzverwaltung hat auf die Bedenken reagiert. Danach werden zwar weiter Zinsen in Höhe von 0,5% pro Monat festgesetzt. Wird gegen die Festsetzung allerdings Einspruch eingelegt, wird auf Antrag die Vollziehung der Zinsen zunächst ausgesetzt. Dies gilt für Verzinsungszeiträume ab April 2012.

Nun ist abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Sollte es den Zinssatz für unrechtmäßig halten, könnte dies die Unwirksamkeit aller Zinsfestsetzungen zur Folge haben. Um von einer solchen Entscheidung profitieren zu können, ist es unbedingt erforderlich, dass die Zinsfestsetzungen durch Einspruch angefochten werden, damit die Bescheide nicht bestandskräftig werden.

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